Gedanken zu Frida Kahlo und ihr indianisches Erbe

 

Was genau verband Frida mit den Azteken und den Maya? Warum suchte sie ihre (neue) Identität bei diesen Völkern? Diese Frage stellte ich mir, während ich die grosse MAYA-Sonderausstellung in Speyer besuchte. Die Maya – bekannt für ihre hoch entwickelten Kultur, aber auch ihre unbeschreibliche Grausamkeit. Und die Azteken, bekannt durch noch grössere Grausamkeit. Mit Vorstellungen, die mich im Zusammenhang mit diesen Hochkulturen abschrecken, hat sie sich offensichtlich sehr intensiv auseinandergesetzt.

Ihr Vater hatte sie, als sie alt genug war, in die mexikanische Archäologie eingeweiht.

„Meine Amme und ich“ – Gemälde 1937 zeigt ihre Verbundenheit mit ihrem indianischen Erbe. Frida in den Armen ihrer indianischen Amme. Seltsam, sie hat den Körper eines Kindes, aber das Gesicht einer erwachsenen Frau. Das Gesicht der Amme ist durch eine Steinmaske ersetzt. Frida wird gestillt. Die Milch kommt aus den Brüsten der Amme. Ich sehe den bewölkten Himmel und es regnet. Die Beziehung zu ihrer Amme scheint nicht herzlich zu sein, eher distanziert und kühl. Es gibt keinen Blickkontakt, wichtig ist lediglich die Nahrung.

Auf ihren Gemälden zeigt sie sich oft in Tehuana-Tracht. Eine “ Tehuana“ ist eine Frau aus Tehuantepec/Oaxaca, der Ort im Süden von Mexiko, wo das Land am engsten ist. Tehuana-Frauen gelten als stark und unabhängig. Der Legende nach  waren Tehuana-Frauen die wirklichen Persönlichkeiten in ihrer Gesellschaft und Frida Kahlos Tragen solcher Kleidung war eine Demonstration von Kraft und Willen, habe ich gelesen. Sicher eine treffende Aussage, die sie über sich selbst trifft. (einige beschreibende Artikel fand ich hier: ( https://www.wordnik.com/words/Tehuana )

Ich betrachte dazu ihr Gemälde „Baum der Hoffnung, bleib stark“ von 1946, das damit im Zusammenhang steht. Ein Selbstporträt, das Frida Kahlo in der linken Bildhälfte mit blutigen Operationsnarben und in der rechten Hälfte mit prächtiger roter Robe zeigt.

Durch sie kenne ich die Begriffe Oaxaca – Nahuatl – Azteken – Mitla, die „Stadt der Toten“. Und auch die Zapoteken werden genannt, die ältesten Vorfahren einer bedeutsamen altmexikanischen Hochkultur. Schon im ersten Jahrtausend v. u. Z. sollen sie existiert haben. Spuren der Zapoteken finden sich in der Stadt Oaxaca bis in die Berge, die im Nordosten des heutigen Staates Oaxaca liegen. Sie sollen Beziehungen zu den Maya unterhalten haben.  (mehr darüber hier: ( http://www.indianerwww.de/indian/zapoteken.htm ).

Bekannt ist, dass Diego Rivera grossen Einfluss bei der Hinwendung Fridas zu den einheimischen Traditionen Mexikos und zur indianischen Kultur hatte. Diese zeigte sich schon früh, 1928 in ihrem Gemälde „Dos Mujeres – Herminia und Salvadora“, den zwei Indiomädchen, die sie sehr mochte.

Und mit ihrer Heirat war schliesslich die Tehuana-Frida geboren. Diego stattete z.B. ihre neue Wohnung mit präkolumbianischen Plastiken aus, um seine Leidenschaft für alles Einheimische zu demonstrieren. Daraufhin suchte Frida nach einer neuen Identität – in der Tracht einer Tehuana, um ihm zu gefallen!
Für ihre Trauung lieh sie sich die Kleidung eines Indiomädchens aus. Kleider waren ihr ohnehin schon sehr früh ungeheuer wichtig – waren eine Sprache! Am liebsten war ihr die Tracht der Tehuana-Frauen. Diese Frauen galten als stattlich, sehr hübsch, sinnlich, intelligent und tapfer. Auch herrschten sie in matriarchalischen Verhältnissen – beherrschten die Männer.
Manchmal aber wählte Frida auch Trachten aus anderen Zeiten und trug u.a. Jade-Schmuck aus dem präkolumbischen Zeitalter. Mit ihren „Kostümen“ stellte sie offensichtlich Kontakt her, auch mit dem unausweichlichen Tod.
Nach drei Fehlgeburten, die wohl unglaublich Schmerzen in Frida erzeugten, begann sie zum ersten Mal, Sonne und Mond zusammen am Himmel auf ihren Bildern darzustellen. Ein kraftvolles Symbol, das die Vereinigung der kosmischen und irdischen Kräfte darstellen soll. Es spiegelt die aztekische Vorstellung des ewigen Kampfes von Licht und Finsternis und die Besessenheit der mexikanischen Kultur in Bezug auf die ewigen Dualitäten. Leben und Tod, Licht und Schatten, Vergangenheit und Gegenwart, Mann und Frau.
Der ewige Kampf, verbunden mit Leid, Schmerz und Tod ist auch kennzeichnend für ihr Leben. Hier ist auch die Grausamkeit des Liebesschmerzes zu nennen, die Metapher vom „herausgerissenen Herzen“, welche sie wörtlich nahm und in ihren Bildern von nun an darstellte. Verständlich im Zusammenhang – es ist ein Zeichen aus der frühmexikanischen Kultur.

Ich denke sofort an den Opferritus in Chichén Itzá: das Herausreißen des schlagenden Herzens.
Aus Sicht der Maya war das Blut Sitz der Seele und Lebenskraft, die Seele selbst stellte man sich jedoch luft- oder rauchförmig vor (Atemseele). Daher fing man das gewonnene Blut durch Papierstreifen auf, die man anschließend verbrannte.
In der Religion der Maya waren Menschenopfer durchaus üblich. Die Art der rituellen Hinrichtungen reichte von Köpfen, Ertränken, Hängen, Steinigen, Vergiften, Verstümmeln bis hin zu lebendig Begraben oder Aufschlitzen des Bauches und das Herausreißen des noch schlagenden Herzens.
https://de.wikipedia.org/wiki/Maya#Zeit_und_Kosmos )

In ihren Bildern bezieht sie sich oft auf Legenden und Motive der Azteken und Maya. Dualität – hier wurde von ihr viel aus der altmexikanischen Mythologie hergeleitet und dieses dualistische Prinzip war auch ihr Weltbild, ihre Natur- und Lebensphilosophie.
Für die altmexikanischen Kulturen bedeutete der Tod gleichzeitig Wiedergeburt und Leben. Der Tod wird als Weg zum Übergang in ein neues Leben anderer Art gesehen.

Auch der Affe auf ihren Bildern stammt aus der mexikanischen Mythologie: er ist Schutzpatron des Tanzes, gleichzeitig Symbol für Lüsternheit. Frida stellt das Tier auf ihrem Gemälde „Selbstbildnis mit Affe“ als lebendes, zartes, beseeltes Wesen dar, das schützend den Arm um sie legt.

Mir fällt dazu spontan die „way-Seele“ der Maya ein (s. Maya Sonderausstellung in Speyer):


https://seelenglimmern.com/2017/04/22/maya-sonderausstellung-in-speyer-am-22-04-2017/

Hirsch, Affe, Izcuintli-Hund – wir finden sie auf ihren Gemälden. Diese gaben ihr Zärtlichkeit und Geborgenheit.

Frida liebte es zu malen und Diego Rivera liebte sie, die Tochter einer Mexikanerin und eines Europäers. Sie verkörperte für ihn die mexikanische Heimat. Für ihn war sie die Mutter Mexikos, die Mittlerin zwischen der mexikanischen Erde und dem Universum. Und er war es, der sie in ihrem Glauben an den Dualismus stärkte –  in der Natur, symbolisiert im Yin und Yang, dem männlichen und weiblichen Prinzip, das nur in der Einheit existiert.
Für ihn war sie stets auf der Suche nach einer Identität, die sie zu der ihren machen konnte – für ihn war sie die Tehuanerin. Sie verkörperte für ihn die Tradition des indianischen Volkes, war grinsende Totenfrau und aztekische Fruchtbarkeitsgöttin. Ihre Bilder stecken voller sinnlicher Symbole.

Frida empfand und lebte, was sie malte. Ihr Auftreten …  „Es war der Auftritt einer aztekischen Göttin … Oder vielleicht sahen wir die spanische Mutter Erde … Die Bänder, die Schleifen, die Röcke, die raschelnden Unterkleider, die Spitzen, die mondartige Frisur, die ihr Gesicht wie die Flügel eines dunklen Schmetterlings erschloss: Frida Kahlo, die uns allen zeigte, dass ihre unendliche Vielfältigkeit weder durch Leiden verdorrt noch durch Krankheit verkümmert war.“… so schildert der mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes seine erste Begegnung mit der Malerin Frida Kahlo.
Frida, die aztekischen Göttin …  ich verstehe nun etwas mehr über ihre Beziehung zu Azteken und Maya.

Und ich suche weiter in ihren Gemälden, nach Symbolen die über ihr Weltbild erzählen – geprägt durch die Azteken und Maya:

8 Gedanken zu “Gedanken zu Frida Kahlo und ihr indianisches Erbe

      • Mich auch. Durch das Kunststudium meiner Tochter habe ich sie kennen lernen dürfen. Seither begleitet F.K. mich in und bei vielem.
        Für mich ist es sehr bereichern und inspirierend sich mit solch Persoenlichkeiten zu befassen.
        Segen dir!

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  1. Ein Leben vom Schmerz geprägt und beherrscht, kann nur zur Exentrik führen, diese spiegelt sich ja ganz klar in ihren Werken bzw. ihrer Kunst. Vielleicht war das ein Ventil um nicht völlig verrückt zu werden.

    Ein äußerst interessanter Beitrag liebe Christel! Danke dafür!

    ❤ Grüße Babsi

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    • Danke für deine Gedanken, liebe Babsi. Vielleicht trifft das zu, was du schreibst, aber ich denke, so ein bisschen exzentrisch wäre sie auch unter anderen Umständen gewesen 🙂
      Ich bin derzeit sehr in das Thema Frida Kahlo / Maya vertieft, um mehr zu verstehen.

      ❤ Grüsse, Christel

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  2. Danke für deinen Kommentar 🙂
    „Die Farben meiner Seele“ kenne ich, aber „Die Jahre mit Laura Diaz“ noch nicht. Ich habe es mir gleich bestellt und bin gespannt.
    Lieben Dank für den Buchtipp!

    ❤ Grüsse nach Mexiko und schönen Tag!

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