Ich habe keine Zeit gehabt zuende zu schreiben/ Selma Merbaum

Lyrik, die man weinend vor Aufregung liest …

Blick in´s Buch! … lies das Vorwort von Iris Berben und du weisst, was heute meine Seele berührt.

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Selma Merbaum – Ich habe keine Zeit gehabt zuende zu schreiben:
Biographie und Gedichte. Mit einem Vorwort von Iris Berben.

58 Gedichte, die Weltliteratur sind, aber die Welt kennt sie nicht.
Immer noch nicht.

Für mich ist es ein wunderbares und wichtiges Buch.

Ich denke dabei auch an Paul Celan – Selma war seine Grosscousine – und an die Dichterinnen Rose Ausländer und Hilde Domin, deren Gedichte ich schon so lange liebe.

Und nun bewege ich mich wieder durch ihr kurzes Leben und durch ihre 58 Gedichte, gewidmet Lejser Fichman. Die Gedichte erzählen von einer Liebe und von der Ahnung, dass sich nichts erfüllen wird.

Hilde Domin schreibt über die Gedichte des Mädchens Selma:
„Seine Begabung steht sicher auf einer Stufe mit dem jungen Hofmannsthal. […]
Es ist eine Lyrik, die man weinend vor Aufregung liest: so rein, so schön, so hell und so bedroht.“

Hier drei ihrer berührenden Gedichte, die mir ganz besonders gefallen:

Träume

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die süß sind wie junger Wein.
Ich träume, es fallen die Blüten von Bäumen
und hüllen und decken mich ein.

Und alle diese Blüten,
sie werden zu Küssen,
die heiß sind wie roter Wein
und traurig wie Falter, die wissen: sie müssen
verlöschen im sterbenden Schein.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die schwer sind wie müder Sand.
Ich träume, es fallen von sterbenden Bäumen
die Blätter in meine Hand.

Und all diese Blätter,
sie werden zu Händen,
die zärteln wie rollender Sand
und müd sind wie Falter, die wissen: sie enden
noch eh‘ sie ein Sonnenstrahl fand.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die blau sind wie Sehnsuchtsweh.
Ich träume, es fallen von allen Bäumen
Flocken von klingendem Schnee.

Und all diese Flocken
sie werden zu Tränen.
Ich weinte sie heiß und wirr –
begreif meine Träume, Geliebter, sie sehnen
sich alle nur ewig nach dir.

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Sehnsuchtslied

Leise schlägst in deinem Lied du einen Ton an –
und dir ist, als fehlte noch etwas.
Und du suchst verwirrt bei allen Tönen,
ob sie dir nicht sagen können,
wo’s zu finden, wo und wie und wann …
Doch der eine ist zu blaß
und zu lüstern ist der zweite
und der dritte ist so voll mit Weite –
viel zu voll.

Du suchst lange – Moll und Dur und Moll
werden lebend unter deinen Händen.
Und dann schlägst du plötzlich eine Taste an,
und – es kommt kein Ton.
Und das Schweigen ist dir wie ein dumpfer Hohn,
denn du weißt es plötzlich ganz genau:
Dieser fehlt dir. Wenn ihn deine Hände fänden,
fiele ab von deinem Lied der Bann,
war‘ das Ende nicht mehr leer und grau.

Und du rührst und rührst die Taste –
fragst dich, wo hier wohl die Hemmung liegt,
suchst, ob nicht doch deiner Hände Weiche siegt,
deine Augen betteln voll Verlangen.
Kein Ton kommt. Einsamkeit bleibt nun zu Gaste
in dem Lied, das dir so schwer und süß gereift.

Um den ungespielten Ton wirst du nun ewig bangen,
bangen um das Glück, das dich nur leicht gestreift
in den leisen Nächten, wenn der Mond dich wiegt
und die Stille deine Tränen nicht begreift.

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Tragik

Das Schwerste: sich verschenken
und wissen, daß man überflüssig ist,
sich ganz zu geben und zu denken,
daß man wie rauch ins Nichts zerfliesst.

Mit rotem Stift hinzugefügt:
Ich habe keine Zeit gehabt zu Ende zu schreiben.
Schade dass du dich nicht von mir empfehlen wolltest:

Alles Gute
Selma
23.12.1941