Das grosse Ja/Christoph Quarch

Das große Ja ist die überarbeitete Taschenbuchausgabe des inzwischen vergriffenen Buches „Und Nietzsche lachte“!

Auf ein Wort vorab:

Es wird viel schwadroniert …

Er berichtet aus Fulda! Von seinen Erfahrungen mit Menschen, die gerne „schwadronieren“, anstatt ein Stück Kultur zu pflegen und zu demonstrieren. Zu diesem Thema habe ich erst kürzlich Ähnliches an anderer Stelle gehört.

„Aus einem spontanen Impuls hatte ich für Mittwochabend zu einem offenen Gespräch über die Situation in unserem Land nach den Terroranschlägen in die Fuldaer Volkshochschule eingeladen. Ich dachte, es sei gut, sich in einem öffentlichen Raum zu treffen, um dort ein Stück politische Kultur zu pflegen und zu demonstrieren. Ich dachte, es werde womöglich den Menschen gut tun, in einer Zeit wie dieser zusammenzurücken und zu erfahren, dass man nicht allein ist in seiner Sorge und Hilflosigkeit. Ich habe mich getäuscht. Gekommen sind wenige. Einige der Zuhörer meines vorgeschalteten, regulären Abendvortrags sind zur Diskussion geblieben, aber dazu gekommen ist keine Handvoll, keine Presse, keine Medien. Mir scheint: Wir schwadronieren gern über politische Kultur und Freiheit. Aber wenn es darum geht, sie zu üben und zu demonstrieren … Fehlanzeige. Kein Ruck.

Im Gegenteil: In der „Welt“ vom gestrigen Donnerstag wird über den soeben veröffentlichten „Werte-Index 2016“ berichtet. Dort erfährt man, was der Deutschen höchste Werte sind: Gesundheit, Freiheit, Erfolg. „Da fällt mir Nietzsches Rede über die „letzten Menschen“ ein: „Man hat ein Lüstchen für die Nacht und ein Lüstchen für den Tag, aber man ehrt die Gesundheit“. Gesundheit, das ist Nietzsches Punkt, ist der letzte Wert, der einer nihilistischen Gesellschaft bleibt: „Hauptsache gesund“ – nichts ist einem näher und wichtiger als das eigene Wohlergehen. Für universale Tugenden wie Gerechtigkeit, Solidarität, Naturschutz ist da kein Platz. Der Egoismus regiert. Das Politische ist tot. Selbst die terroristische Bedrohung unserer Gesellschaft scheint daran nichts zu ändern. Kein Ruck.“ …

Auszug aus dem Blog von Dr.phil.Christoph Quarch : Artikel „Kein Ruck …“ vom 20.November 2015
http://www.christophquarch.de/category/blog/

Ja, so ist das! Es wird viel schwadroniert …

schwa·d·ro·ni̱e̱·ren
Verb [ohne OBJ] (jmd. schwadroniert über etwas Akk.) abwert.
  • laut, wortreich und prahlerisch von etwas erzählen.

Genau das dachte ich, als ich gestern mal wieder so einen „Weltverbesserer-Artikel“ las, sozusagen ein Aufruf zum TUN.  Hmmm …  fiel mir dazu ein, er hat recht mit seinem Zitat:

Einige Milliarden Menschen beschäftigen sich mit der
Verbesserung der Welt. Ein paar arbeiten schon ernsthaft daran.

© Fred Ammon (*1930), Aphoristiker

Nun aber zurück zu Christoph Quarch. Er ist mir bekannt durch ein Buch:
„Schmelzt das Eis in euren Herzen!: Aufruf zu einem geistigen Klimawandel Gebundene Ausgabe – 22. März 2010 von Christoph Quarch …  das Buch hat mich sehr begeistert. Und damals nahm ich mir vor, noch ein anderes Buch von ihm zu lesen:

»Und Nietzsche lachte«  bzw.  »Das große Ja«  (Das große Ja ist die überarbeitete Taschenbuchausgabe des inzwischen vergriffenen Buches »Und Nietzsche lachte«)

http://www.christophquarch.de/bucher/autor/das-grosse-ja/

http://www.amazon.de/Nietzsche-lachte-verliebt-Sokrates-gelassen/dp/3424630306/ref=asap_bc?ie=UTF8

Seltsam, wohin mich mein neues Viktor Frankl-Buch geführt hat – zu Christoph Quarch, der sich auch mit „SINN“ beschäftigt. Es scheint sinnvoll zu sein, sich damit zu beschäftigen, also tue ich es nun (mal wieder *g*) und ich freue mich auf das Buch. Los geht es damit (Textauszug) und schon nach den ersten Zeilen lehnte ich mich schmunzelnd zurück und las weiter 🙂 :

„Es geschah an einem Wintermorgen in der Ewigkeit, dass dem höchsten Gott der Kragen platzte. Er hatte es lange genug mitangesehen. So konnte es nicht weitergehen. Seine lieben Menschenkinder waren völlig aus dem Ruder gelaufen. Sie hetzten wie besessen durcheinander, sie rechneten und handelten; sie rannten dem nach, was sie »Glück« nannten, und wurden dabei immer unglücklicher; sie rackerten sich ab, doch ihre Seelen verödeten immer mehr; sie sorgten um ihre Gesundheit, aber schleppten sich gequält durchs Leben; um sich zu erholen verreisten sie … doch innerlich vereisten sie. So jedenfalls kam es Gott vor. Ihm schien, dass die Menschen zwar nicht den Verstand verloren hätten, dass ihnen aber das Herz in der Brust gefroren sei; und dass sie deshalb nicht mehr klar denken konnten. Er stellte fest, dass sie den Sinn für den Sinn verloren hatten. Und also beschied er, es müsse Abhilfe geschaffen werden. So kam es, dass er den Rat der Denker einberief. Und da saßen sie nun, in langen Reihen am ortlosen Ort, und sollten dem höchsten Gott erläutern, was ihrer Meinung nach zu tun sein, um den Krisen auf Erden Herr zu werden – da saßen die Philosophen aller Zeiten, legten ihr Kinn in die Hand und dachten nach. Vielleicht sollte erwähnt werden, dass Gott in seiner endlosen Weisheit nur die Denker des Westens zum Konzil gebeten hatte. Sie, so meinte er, hatten die ganze Sache verbockt, und so schien es ihm nur recht und billig, dass diese gravitätisch grübelnden Herren nun auch den Karren aus dem Dreck ziehen sollten. Und außerdem ergingen sich die Weisen des Ostens ja ohnehin lieber in der gedankenfreien Schwerelosigkeit ihrer Meditationen …

Nachdem sie eine hübsche Ewigkeit vor sich hin gedacht hatten, hielt Gott die Zeit für gekommen, seine Stimme zu erheben und die erhabene Gesellschaft um Antwort auf die Frage der Fragen zu ersuchen: »Was müssen wir den Menschen geben, auf dass sie den Sinn ihres Lebens entdecken?« – Kaum war das letzte Wort Gottes im Weltall verhallt, da schnippte ganz vorne ein Mann mit den Fingern – einer, den die anderen spöttisch den »Primus« nannten …; den sie also nicht recht leiden mochten. »Sprich, Augustinus«, tönte der Ewige. Und Augustinus sprach: »Unruhig ist mein Herz, wenn ich vor dir sprechen darf, mein …« – »Keine langen Bekenntnisse, Augustin«, mahnte die mächtige Stimme, »komm Er zur Sache.« – »Na denn«, stammelte der irritierte Heilige, »also, wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann sollten wir die Menschen von dort nach hier bringen, so dass sie sich auf ewig an Deiner großen Herrlichkeit ergötzen können«. – Ein gewisser Dante, der weit auf den hinteren Rängen saß, brach ob dieser Rede in schallendes Gelächter aus und rief: »Welch’ göttliche Komödie!«, doch als er sah, dass sich der Höchste gelangweilt abwandte und den heiligen Kirchenlehrer mit resigniert abwinkender Geste auf seinen Platz verwies, verstummte er genauso wie all die anderen klugen Köpfe.

Dunkles Schweigen legte sich auf die Gesellschaft. Nach diesem gründlich verpatzten Auftakt wollte sich niemand mehr vorwagen. Nur einer erhob sich. Aufrecht stand er da, klar, gerade – eine prächtige Erscheinung, ganz Anstand, Disziplin, geistige Strenge. Alle respektierten ihn, auch wenn keiner ihn liebte: Kant. Immanuel Kant. Kühl konzentriert erhob er die Stimme: »Es ist meine Pflicht Ihnen zu antworten, werter Herr«, sprach er: »Meine Antwort lautet: Geben wir ihnen eine Maxime, durch die sie zugleich wollen können, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« – »Hä?« – Alle Augen wandten sich zum Thron. Hatte der Höchste und Beste wirklich »Hä?« gesagt? – Er hatte, und er saß da und kratze sein weises Haupt. »Noch einmal, mein Freund«, erging sein Wort, »ich habe dich nicht verstanden!« – »Ganz einfach, Sire«, erwiderte der hagere Denker: »Sorge dafür, dass sie so handeln, als ob die Maxime ihrer Handlung durch ihren Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.« – »Ah, äh«, der Ewige rutschte verlegen auf seinem Thron hin und her. »Aber, hm, haben wir das nicht schon versucht? Ich meine, die Zehn Gebote, Moral, Sittengesetz, Bergpredigt – mein Gott, das ganze Programm, aber es hat nichts geholfen«. – »Yes, indeed«, sprang da ein fixes Bürschchen auf, den keiner so recht kannte, der sich aber sogleich in gewandter Wendung als »John Stuart Mill, Verfechter des Utilitarismus und Liberalismus« vorstellte. Das war zwar recht anmaßend, doch ging man darüber hinweg, um zu hören, was das quirlige Männlein zu sagen habe. »Es hat nichts geholfen, weil ihr den Menschen keine Belohnung in Aussicht gestellt habt. Machen Sie sich dort einmal folgendes klar, mein Herr« – hier schaute er auf zum Thron – »Die Menschen wollen alle glücklich sein.« – »Richtig«, brummte der alte Aristoteles in der ersten Reihe, was Mill offenbar beflügelte, so dass er keck fortfuhr: »Also müsst Ihr sie glücklich machen, wenn sie sich an die Gebote halten. Sie brauchen eine Belohnung für ihre Moralität; und zwar nicht erst im Himmel, sondern schon auf Erden«.

Er lächelte triumphierend und sah nicht, dass Kant kotzte. Ein schrecklicher Anfall überkam den Königsberger. Alle waren peinlich berührt, und es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis er sich erholt hatte. »Mit Verlaub«, warf er ein, »so wird das nichts. Glück als Belohnung – was für ein billiger Handel. Ach, mein Herr«, und hier wandte er sich unter innerer Pein zu Mill, »Sie sind eine Krämerseele, die sich wohl aufs Rechnen versteht, nicht aber aufs Denken.« – Kaum hatte Kant so gesprochen, da brauste ein Sturm auf: »Recht hat Kant«, riefen Nietzsche, Heidegger, Schelling und eine befremdlich anmutende Schar deutscher Denker. »Recht hat Mill«, rief Adam Smith und mit ihm ein ganzes Heer englisch sprechender Herren in Maßanzügen. Ein großes Durcheinander entstand, und es bedurfte eines donnernden »Stopp« vom himmlischen Thron, um der drohenden Saalschlacht ein Ende zu bereiten.

»So nicht!«, sprach Gott, und schaute streng. »So nicht! Wir haben euch machen lassen, meine Herren. Wir haben eure Moral zugelassen! Wir haben eure Erziehungsmodelle zugelassen! Ja, wir haben sogar eure Ökonomie zugelassen – pah, unsichtbare Hand! Lächerlich!« Der Ewige blickte angewidert auf die Herren in den Anzügen (dabei hatte er selber einen schicken Boss-Anzug im Schrank hängen!). »Es hat alles nichts geholfen. Es ist alles immer nur schlimmer geworden. Selbst mein Sohn hat nicht viel bewirken können – weil ihr mit euren dämlichen Philosophien alles verhunzt habt!« – Betretenes Schweigen – »Ich will davon nichts mehr wissen! Wenn ich nicht sogleich einen vernünftigen Vorschlag höre, dann, dann« – Angst breitete sich im Universum aus – »… dann knallt es!« – »Was, ein neuer Urknall?« Herr Einstein, der bis dato vor sich hin geträumt hatte, war plötzlich aufgewacht. – »Ach was!«, rief da der Herr der Heerschaaren, »viel schlimmer: Ich schicke eine Bataillon Propheten!«
Herrjeh, da zuckten sie zusammen, die Herren Philosophen. Ausgerechnet ihre Erzrivalen sollten das Rennen machen! Und dennoch: Keiner brachte ein Wort hervor – wirklich keiner? Nein, einer stand auf, zupfte sich am Bart, kratzte sein wirres Haar und sprach: »Gesetzt die Wahrheit ist ein Weib, könnte es wohl sein, dass keiner der hier versammelten Herren sich gut auf Weiber verstanden hat? … « – feurigen Auges blickte Nietzsche in die Runde. »… dass der schauerliche Ernst, die linkische Zudringlichkeit, mit der sie bisher auf die Wahrheit zuzugehen pflegten, ungeschickte und unschickliche Mittel waren, um gerade ein Frauenzimmer für sich einzunehmen?« – Er blickte auf und sah mit Genugtuung, dass der Mächtige ihn mit der Rechten ermutigte, fortzufahren. »Fest steht, dass sie sich nicht hat einnehmen lassen«. Alle blickten gebannt auf den komischen Kauz mit dem Walrossbart. »Nun«, sprach er weiter, »ist die Zeit der letzten Menschen gekommen. Sie wissen nicht mehr, wie man einen tanzenden Stern gebiert. Sie haben wohl ein Lüstchen für die Nacht und ein Lüstchen für den Tag. Sie ehren die Gesundheit und behaupten, das Glück erfunden zu haben« (hier warf er einen verächtlichen Blick auf Mill, Smith und die Anzugträger), »aber sie sind klein geworden – klein wie Erdflöhe. Denn«, und hier erhob er sein Haupt und eine leuchtende Aureole umgab ihn, »sie haben kein Chaos mehr in sich!«. – »Gut gesprochen«, donnerte Gott. »Und was ist zu tun?« – »Maestro«, sprach Nietzsche, »ich habe Sie zwar für tot erklärt, aber das galt nur für das, was dieser elende Pöbel aus Ihnen gemacht hat. Darum habe ich mich erkühnt, meinen eigenen Propheten zu erfinden: Zarathustra. Schicke ihn – ihn den Propheten des Gottes, der zu tanzen versteht. Schicke ihn, auf dass er den Menschen gibt, was sie brauchen; auf dass er den Sinn für den Sinn neu in ihnen entfacht! Denn eines tut not, Maestro: Lehre sie ––– tanzen!« – Ein Raunen ging durch die Versammlung! Welch unerhörte Rede! Und da war keiner, der nicht gebannt zum Thron geblickt hätte.

Gott schaute nachdenklich, doch dann hub er an, in die Hände zu klatschen. Und die Herrlichkeit der Himmel leuchtete um ihn. Er klatsche und klatschte. Der ortlose Ort bebte, die Philosophen warfen die Käppis in die Höhe – und Nietzsche lachte.

Und dabei wäre es wohl geblieben, wenn nicht – ja, wenn nicht – zwei betagte Greise den allgemeinen Tumult genutzt hätten, um sich unbemerkt vor den göttlichen Thron zu schleichen. Und da standen sie nun – mit ihren langen, weißen Bärten in altertümlich anmutender Gewandung. Was aber das Befremdlichste war: Sie standen dort und hielten Händchen.

Als die Herren Denker nach und nach der wunderlichen Erscheinung gewahr wurden, hielten sie inne und zogen sich auf ihre Plätze zurück – gespannt, welche Sensation sich nun zutragen werde. Auch des Ewigen Klatschen verhallte. Er beugte sich vor, maß die würdigen Alten eines achtsamen Blickes, runzelte die Stirn und ließ sich wie folgt vernehmen: »Sokrates, Platon – was habt ihr zu sagen? Hat euch nicht gefallen, was der junge Mann über das Chaos und den Tanz …«. – »Durchaus, durchaus«, fiel ihm Sokrates ins Wort, »das war ganz in meinem Sinne! Oh, wie ich den Tanz liebe! Komm, mein lieber Platon, lass uns ein Tänzchen wagen!« Und er legte die Linke auf seines Freundes Schulter, schnippte mit den Fingern, wiegte seine Hüfte und begann: »Badan, badadadan, badadann …« – und nun hätte er wohl wirklich den Sirtaki zu tanzen begonnen, wenn nicht Platon ihn in die Rippen gestoßen hätte: »Meister, du wolltest etwas fragen!« – »Richtig«, fiel es Sokrates ein, »mein lieber Zeus, da war eine winzige Frage, die ich nicht unterdrücken kann. Darf ich sie stellen? Bitte!« – Gott, der diese Anrede lange nicht mehr vernommen hatte, lächelte freudig in sich hinein und winkte dem Sokrates sein Einverständnis zu. »Sag, mein Freund«, hub dieser an, »dünkt nicht auch dir, dass hier etwas fehlt?« – »Etwas fehlt?«, der Ewige blickte ratlos in die Runde. Allgemeines Achselzucken. Sokrates galt als Nervensäge. – »Ja, was soll den fehlen?«, fragte Gott. – »Hast du nicht einst die Welt geschaffen?«, erwiderte Sokrates. – »Aber gewiss doch.« – »Und nicht nur die Welt als solche, sondern auch alles, was darin kreucht und fleucht?« – »Na sicher!« – »Also auch die Menschen, oder?« – »Sokrates, komm’ zur Sache! Wir wollen dich nicht noch mal wegen Gotteslästerung strafen«. Der Ewige schien genervt. Sokrates hingegen unbeirrt. »Und, sag mir, mein Freund: Als was schufst du den Menschen?« – »Zu meinem Bilde schuf ich ihn.« – »Selbstredend, aber da war doch noch was: Du schufst ihn als Mann und … , na?« – »als Frau!« – »Richtig!« Sokrates hüpfte in die Höhe und drehte sich einmal im Kreis. »Und was fehlt hier also?« – »Eine Frau?« Gott kratzte sich am Bart. – »Genau dies«, fiel nun Platon ein, »und eben deswegen rufe ich nun meine liebe Freundin Diotima in unsere Mitte, denn so viel ist gewiss, meine verehrten Herren, die ihr – mit Verlaub – ja eh nichts anderes seid als – ähäm – Fußnoten zu meinen Werken (Platon galt als ein bisschen arrogant); soviel also ist gewiss, dass ihr allein aus ihrem Munde hören werdet, was es ist, das wir den Menschen geben müssen. So wahr mein Freund Nietzsche – ach, hätte er doch nur erkannt, dass er mein Freund und nicht mein Rivale ist; aber das ist nun wieder eine andere Geschichte … (Er schien jetzt richtig in Fahrt zu kommen); so wahr also mein junger Freund hier gesprochen hat, so versäumte er doch zu sagen, was es braucht, damit der Tanz des Menschen auch gelinge. Und eben das wird euch diese hier verkünden« – und kaum dass er so gesprochen, stand auch schon zu seiner Seite eine ehrwürdige Dame, deren milde Schönheit und liebliche Aura so manchen der knöchrigen Denker im Innersten erwärmten.

Gott lehnte sich zufrieden zurück, lächelte ihr ermutigend zu und sprach: »Nun, Diotima, es heißt, du habest die Weisheit, uns zu sagen, was den Menschen fehlt, auf dass sie den Sinn für den Sinn zurück gewinnen. Es heißt, deine Weisheit gehe noch über die unseres jungen Nietzsche hinaus, der uns empfahl, die Menschen, tanzen zu lehren; es heißt, du habest Besseres und Schöneres zu sagen als neue Gebote und Imperative; es heißt, du kennest das Gegengift gegen den niederen Sinn von Handel und Kommerz? – Wohlan, so rede!« –

Was nun geschah, ward lange nicht gesehen im Himmel. Und es gilt als gewiss, dass bis in alle Ewigkeit davon erzählt werden wird: Diotima lächelte. Ihr Lächeln durchdrang das Universum bis in seine letzte Ritze. Und dann sagte sie nur ein Wort, doch es klang in allen Sprachen: Eros, Amor, Love, Amore, Liebe …. – Und Gott? Gott erhob sich, Gott verneigte sich, Gott schritt die Stufen von seinem Thron hinunter zu ihr, Gott küsste sie und schüttelte den beiden Greisen die Hand. »So sei es!«, sagte er nur. Und Sokrates tanzte.

Der Rest ist rasch erzählt. Gott nahm wieder Platz auf seinem Thron und verkündete seinen Ratschluss. Zunächst wandte er sich dabei an die würdigen Weisen aus Griechenland: »Wohlan, meine Freunde, weil ihr es ward, die ihr die ewige Wahrheit herbei rieft, so wollen wir eure alten Götter in Dienst nehmen, auf dass sie den Menschen unsere Gaben bringen. Als erstes rufe ich den Hermes. Er kennt sich aus in der Menschenwelt. Ist doch der Handel sein Geschäft. Doch soll er nur der Führer sein. Die Türen soll er drunten öffnen. Vor allem meinem Freund Apoll. Seine Aufgabe als Gott der Heilkunst und der Harmonie wird es sein, die Menschen wissen zu lassen, worin der Sinn des Lebens liegt. Sodann braucht es auch meinen alten Freund Dionysos. Denn er allein weiß, wie zu tanzen. Und so soll er die Menschen lehren, wie sie das Chaos in sich pflegen und ihre berauschte Seele tanzen lassen. Zuletzt dann soll ihnen noch die Liebste folgen, die goldene Aphrodite. Damit die Liebe und die Schönheit das Eis in der Menschen Herzen schmelzen. Denn was das Leben sinnvoll macht, das sieht der Mensch nur mit dem Herzen.« Nachdem er so gesprochen, hielt Gott inne. Er sah glücklich aus. »Die Sitzung ist beendet. Ich danke euch, ihr Denker!«, ließ er sich noch vernehmen, bevor er sich in die stille Gesellschaft der östlichen Weisen zurückzog.

Zu uns aber kamen die alten Götter und wandelten auf Erden. Was sie den Menschen bringen sollten, war: den Sinneswandel.“

Falls nun jemand bis hierher gelesen hat … ja, demjenigen möchte ich für sein Interesse danken und vorschlagen, im Buch den Rest auch noch zu lesen. 🙂

WOW !!! Was für ein Wunsch 🙂

Da bin ich jetzt platt! Ich lese in diesem wundervollen Buch und erlebe dabei solch eine Überraschung, so eine Freude! Nicht nur über das, was er (der Autor) mir wünscht, sondern IHM zu begegnen 🙂

Da steht es:

„Wie dem Dichter Hermann Hesse soll es dir gehen, der einst das grosse Glück des „Ja!“ erlebte – die grosse Stunde, von der er berichtet: „Und ob ich ein gleiches oder ähnliches Glück noch andre Male in meinem Leben gekostet habe, tiefer und wirklicher konnte keines sein: die Welt war in Ordnung.“
Und weiter:“Es bestand aus nichts, dieses Glück, als aus dem Zusammenklang der paar Dinge um mich her mit meinem eigenen sein, aus einem wunschlosen Wohlsein, das nach keiner Änderung, keiner Steigerung verlangte.“
Es war – wie ich ergänzen möchte – einfach nur schön. Aber diese Schönheit war nicht gemacht. Sie war nicht erfunden, sondern gefunden. Es traf sich, dass in einem begnadeten Augenblick die Welt in Ordnung war. Es war ein Geschenk, ein Schicksal, das wie ein Pfeil – aus weiter Ferner geschickt – den Dichter traf. So zeigt sich Apollon seinen Lieblingen. 🙂       (Textauszug aus „Das Grosse Ja“/Christoph Quarch)

„Beim Apollon!“, denke ich, „Was könnte ich mir Schöneres wünschen! Wie Hermann Hesse soll es mir gehen …  dieses „Ja!“ soll ich erleben, dieses ES STIMMT fühlen.“

So ein faszinierendes und spannendes Buch habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Ich schrieb ja schon darüber ( https://seelenglimmern.com/2015/11/30/wahrnehmen-annehmen-und-sonst-nichts-er-kommt-auf-uns-zu/ ).  Nun habe ich es zu Ende gelesen und wieder sehr viel gelernt … und ich werde es nochmal und nochmal lesen, da bin ich sicher. Hier zeigt sich mir Schönheit (=Sinn)!

Dieses Buch kann ich nur wärmstens weiterempfehlen. Es bekommt von mir 5 Sterne mit Stern  …  ach was, einen ganzen Sternenhimmel! 🙂

SCHÖNHEIT … der Sinn meiner Christrose!

 

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„Suche Schönheit, gib dich ihr hin
und lass dich von ihr in Ordnung bringen – auf Einklang stimmen!“

Aus dem Buchtext:

„Auch wenn eine Blume sicher im Grossen und Ganzen der Natur nützlich und zweckmässig ist, so ist die Sinnhaftigkeit, die an ihr aufleuchtet, wenn wir sie offenen Auges wahrnehmen, dennoch nicht an eine solche Zweckmässigkeit gekoppelt. „Die Ros‘ ist ohn‘ Warum. Sie blühet, weil sie blühet“, sagte der Mystiker und Barock-Dichter Angelus Silesius mit gutem Grund. Sie blüht. Und indem sie blüht, stimmt sie; indem sie blüht, ist sie in Ordnung; indem sie blüht, ist sie bejahbar, gut und sinnvoll. Und auf eigentümliche Weise verstehen sie diese Blume, indem Sie sie betrachten, ihren Duft riechen, ihre Blätter fühlen und womöglich sogar ihren Geschmack erproben. Sie werden sagen: „WOW, ist das Schön!“ und können die Blume gutheissen. Sie bejahen sie und finden sie sinnvoll – selbst wenn sie komplett nutzlos ist.
Die Symphonie der Erscheinung, dieses Miteinander unterschiedlicher Aspekte, lässt Sie die Blume zugleich gutheissen und als eine bestimmte Blume, etwa eine Rose, identifizieren.  [….]
Sie haben einen Sinn für Rosen, der es Ihnen erlaubt, Rosen immer wieder als Rosen zu erkennen. Mit Sinn und Sinnlichkeit haben Sie ihren Sinn für die Rose geschult, sodass Sie den Sinn der Rose kennengelernt haben. Und dieser Sinn ist nicht gemacht und nicht geschaffen. Er hat nichts von Nutzen und Zweck. Er ist nicht das WOZU der Rose, sondern er liegt in ihrem in sich stimmigen So-Sein. Und dieses in sich stimmige, harmonische So-Sein meinen wir, wenn wir unserer Sinnerfahrung mit der Rose, ihrer undbedingten Bejahbarkeit Ausdruck verleihen, indem wir sagen:

„IST DIE ABER SCHÖN!“

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Denn im Lichte ihrer Idee zeigt sich die Rose nicht einfach nur als Rose, sondern dieses Licht verleiht ihr zudem den – apollinischen – Glanz der Schönheit, deren Geheimnis nichts anderes ist als eben Harmonie und ES STIMMT.“

(Christoph Quarch/Textauszug „Das grosse Ja“)