Eine überflüssige Frau/Rabih Alameddine

Es ist 05:08 Uhr und Samstag, einer meiner beiden „Heute kannst du machen was du willst“ – Tage 🙂 Ich sitze am Schreibtisch und lese einen wunderbaren, sehr faszinierenden Roman:

Rabih Alameddine: Eine überflüssige Frau

Eine 72-jährige Frau stellt sich die Frage: „Bin ich eine überflüssige Frau?“ und reflektiert über ihr bisheriges Leben. Bevor sie in Rente ging, war sie Angestellte in einer Buchhandlung und ihre Leidenschaft gilt den Büchern. Sie lebte nach ihrer Scheidung mit zwanzig allein.

Sie scheut den Kontakt zu Menschen generell. Ihre einzige und beste Freundin Hanna, mit der sie eine besondere Beziehung hatte, ist tot. Sie erzählt auch deren Lebensgeschichte in all ihrer Tragik. Hanna war ihre einzige Vertraute und echte Freundin im Leben.Seit deren Tod ist sie allein – bis auf die Literatur.

„Manchmal denke ich, dass es genügt, dass ich dankbar bin.
Meistens denke ich, ich mach mir etwas vor.“ (S.172)

Während ich tief in Gedanken bin, schaue ich auf und bemerke, dass ich beobachtet werde   🙂

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Ich lese lächelnd weiter.

„Ich habe so viele aktuelle Romane gelesen, vor allem aus der angelsächsichen Welt, die langweilig und banal sind, weil ich immer Zusammenhänge erkennen soll. Zum Beispiel: Eine Hauptfigur kann keine Liebe empfinden, und der Grund dafür ist, dass sie körperlich missbraucht wurde (…). Dabei wird natürlich vollkommen die Tatsache übersehen, dass viele andere dasselbse erlebt haben, aber sich eben nicht so verhalten. Doch das ist nebensächlich im Vergleich zu dem echten Verlust, den man erleidet, wenn dem Wunsch nach Erklärungen nachgekommen wird: der Verlust des Geheimnisses. Literatur, die alles erklärt, macht Leser dumm.“  (S.152)

Ja, „Literatur, die alles erklärt, macht Leser dumm.“, denke ich und blicke wieder auf.
Er sitzt weiterhin ganz ruhig da, bewegt hin und wieder seinen linken Vorderfuss, hebt und winkelt ihn an, um dann in einer bequemeren Sitzposition weiter beobachten zu können: mich! 🙂

Vielleicht sollte ich ihm vorlesen, denke ich. Das Buch ist wirklich ein Meisterwerk mit vielen Zitaten, die sie im Zusammenhang mit ihrem Leben zitiert … einfach wundervoll. Dies ist ein ganz besonderer Lesegenuss. Diese Frau lebt und liebt durch ihre Bücher. Sie geben ihrem Leben einen Sinn.

Der Sinn eines Lebens … ob ihn das wohl auch interessiert?

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Übrigens …  er hat keine Furcht vor Wölfen 🙂

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