Gut gegen Nordwind / Daniel Glattauer

Sich am Geist des anderen zu erfreuen gehört wohl zu den Geheimnissen einer dauerhaft anhaltenden, gelungenen Beziehung …. warum nicht im Email-Kontakt?
Dies fragte sich ein Buchautor und schrieb eine quicklebendige Geschichte. Sie gestaltet sich spannend, tempo- und pointenreich, originell und romantisch, sodass es eine Freude ist, dem E-Mail-Hin-und-Her der zwei Protagonisten Leo und Emmi, die zufällig aneinander geraten sind, gespannt und amüsiert zu folgen.

Jeder, der schon einmal Ähnliches erlebt hat, erkennt hier gleich den „Zauber des Anfangs“ dieses Kennenlernen, das hier geschildert wird.
Sie ist schon wirklich erstaunlich und realitätsnah, diese hier beschriebene unwiderstehliche Mischung aus Distanz und Intimität, die zwischen Fremden durch elektronische Botschaften so rasch entstehen kann.
Nun ja, es muss nicht, aber es kann so sein. Insbesondere, wenn die Emailverfasser solche „Naturtalente“ in punkto „per Email auf Berg- und Talfahrt“ sind.

Auf jeden Fall aber ist es sehr vergnüglich und unterhaltsam, dieser Entwicklung hier zu folgen. Und es geht wirklich rasch voran – hier ein kleiner Textauszug:

„Drei Tage später:
Betreff: Etwas fehlt
Lieber Leo, wenn Sie mir drei Tage nicht schreiben, empfinde ich zweierlei:                    1.) Es wundert mich. 2.) Es fehlt mir etwas. Beides ist nicht angenehm. Tun Sie etwas dagegen! Emmi

Am nächsten Tag
Betreff: Endlich gesendet!
Liebe Emmi, zu meiner Verteidigung gebe ich an: Ich habe Ihnen täglich geschrieben, ich habe die Mails nur nicht abgeschickt, nein, im Gegenteil, ich habe sie allesamt wieder gelöscht. Ich bin in unserem Dialog nämlich an einem heiklen Punkt angelangt. Sie, diese Emmi mit Schuhgrösse 37, beginnt mich schön langsam mehr zu interessieren, als es dem Rahmen, in dem ich mich mit ihr unterhalte, entspricht. Und wenn Sie, diese gewisse Emmi mit Schuhgrösse 37, von vornherein feststellt: „Wahrscheinlich werden wir uns niemals sehen“, dann hat sie natürlich völlig recht und ich teile ihre Ansicht. Ich halte das für sehr, sehr klug, dass wir davon ausgehen, dass es zu keiner Begegnung zwischen uns kommen wird. Ich will nämlich nicht, dass die Art unseres Gesprächs hier auf das Niveau eines Kontaktanzeigen- und Chatroom-Geplänkels absinkt.
So, und diese Mail schicke ich nun endlich weg, damit sie, diese gewisse Emmi mit Schuhgrösse 37, wenigstens irgendwas von mir in ihrer Mailbox hat. (Aufregend ist der Text nicht, ich weiss, es ist auch nur ein Bruchteil von dem, was ich Ihnen schreiben wollte.)
Alles Liebe, Leo

23 Minuten Später
RE:
Aha, dieser gewisse Leo Sprachpsychologe will also nicht wissen, wie diese gewisse Emmi mit Schuhgrösse 37 aussieht? Leo, das glaube ich Ihnen nicht! Jeder Mann will wissen, wie jede Frau aussieht, mit der er spricht, ohne zu wissen, wie sie aussieht. Er will sogar möglichst schnell wissen, wie sie aussieht. Denn danach weiss er, ob er noch weiter mit ihr sprechen will oder nicht. Oder etwa nicht?
Herzlichst, die gewisse 37-er Emmi

Acht Minuten später:
AW:
Das war jetzt mehr hyperventiliert als geschrieben, stimmt’s? Ich muss gar nicht wissen, wie Sie aussehen, wenn Sie mir solche Antworten geben, Emmi. Ich habe Sie ohnehin vor mir. Und dafür muss ich mich nicht mal mit Sprachpsychologie beschäftigt haben.
Leo.

21 Minuten später:
RE:
Sie irren, Herr Leo. Das war völlig ruhig geschrieben. Sie sollten mich einmal sehen, wenn ich wirklich hyperventiliere. Im Übrigen neigen Sie eher nicht dazu, meine Fragen zu beantworten, stimmt’s? (Wie sehen Sie eigentlich aus, wenn Sie „Stimmt’s?“ fragen?) Aber darf ich noch einmal auf Ihren E-Mail-Wurf von heute Vormittag zurückkommen. Da passt so gar nichts zusammen. Ich halte fest:
1.) ….

… sehr amüsant geht es im Buch weiter  :-))

Immer noch „Gut gegen Nordwind“ …  ein Zitat

                                „Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen.   

                                         Schreiben ist küssen mit dem Kopf.“