Wenn beim Lesen plötzlich die Fantasie erblüht, kann dies viel verändern – manchmal sogar ein ganzes Leben. Die Magie von Buchstaben, zusammengefasst in wundervollen Worten und offenbart in bezaubernden Büchern kann – zur richtigen Zeit und dem richtigen Buch – womöglich ihre Wirkung entfalten und auf ein glückliches, erfülltes Leben hinweisen – wir müssen uns nur darauf einlassen, sie lesen und zu deuten wissen.
An jedem Tag kann „Ein ganz besonderes Jahr“ beginnen und wir könnten die Möglichkeit nutzen… wer weiss es schon, manchmal führt der Zauber solcher Geschichten tatsächlich zur Verwirklichung eines Traumes.
Verwirklichen – aus dem vorangegangenen Traum erwachen und eine Entwicklung, ein Wachsen möglich machen. So, wie ich es im Buch gerade gelesen habe:
„Und so entwickelte die Buchhandlung – wie ein Kind, das gross wird und sich von den Eltern abnabelt und einen eigenen Charakter ausprägt – ihr originäre Persönlichkeit: unvorhersehbar, eigenwillig und voller Überraschungen. Doch je stärker dieser Charakter entwickelt ist, umso mehr Kraft und Einfühlungsvermögen braucht es, um ihn zu beherrschen und sein Bestes hervorzukehren. Er ist wie ein heissblütiges Pferd, das zu reiten es eines vorzüglichen Reiters bedarf.“
Und ja, manchmal bedarf es dabei auch einer unerlässlichen Voraussetzung:
bedingungsloser Wahnsinn!
Darunter vestehe ich Risikobereitschaft, Mut zum Wagnis etc.
Es war für mich ein wundervolles Wohlfühlerlebnis, dieses Buch über Bücher zu lesen. Den vielen Schriftstellern/Poeten zu begegnen, die mir bereits vertraut sind und auch den vielen Hinweisen auf andere, die ich noch kennenlernen möchte. Es hat so gut getan, bei manchen Szenen schmunzeln und auch lachen zu können.
Also wer diese Geschichte nicht liebt, mag Bücher womöglich nicht besonders gerne. Für mich ist diese Erzählung wirklich zum (Mit-) Erlebnis geworden und ich wäre gerne noch länger in dieser kleinen Buchhandlung geblieben. Die Geschichte ist einfach bezaubernd und ich werde sicher noch einige Stellen, die mir besonders gefallen haben, zitieren.
Schön, dass es solche Buchautoren gibt und dazu einen Freund, der mir solch ein Buch nahelegt 🙂
http://www.amazon.de/ganz-besonderes-Jahr-Thomas-Montasser/dp/3851793056
Rattus rattus …
Wie kommt ein Buchautor nur auf solche Gedanken, dachte ich und las vor mich hinlächelnd diese drollige Szene.
Valerie hatte im Hinterhof einen Schatten gesehen, dachte es könnte eine Katze sein und stellte ein Schälchen Milch aufs Fenstersims. Gespannt wartete sie und dachte sich für die Katze schon mal einen Namen aus. Als sie nach einiger Zeit aber wieder zum Fenstersims hinschaute, sass da keine Katze, sondern: eine milchschlürfende Ratte ! – es war der Beginn einer wundervollen Freundschaft mit der Rattendame Grisaille 🙂

Eines Tages ereignete sich Folgendes:
„Trotz dieser Nähe zur Literatur war Grisaille allerdings weit davon entfernt, eine Leseratte zu sein. Als Valerie ihr einmal einige Sätze aus den wunderleicht-melancholischen Gedichten Mascha Kalèkos vorgelesen hatte, war das Tier geflüchtet – was unmöglich an Kalèko gelegen haben konnte.
Damit war zumindest klar, welcher Art die Ratte angehörte: Für Valerie war sie weder Rattus norwegicus, die gemeine Wanderratte, noch Rattus rattus, die alteingesessene Hausratte, sondern Rattus alliterarius und damit eine willkommene Abwechslung zur Klausur, die das geschriebene Wort in der Regel mit seinem Leser bildet. Womit Valerie der Zoologie neben den sechzig bekannten Arten der Ratte noch eine einundsechzigste hinzufügte.“
Brief aus einer heftigen Gegend
Ich schreibe Dir aus diesem fernen Land
Im Schatten eines Baumes, der gestern noch nicht stand,
Denn hier wächst alles über Nacht.
Kaum keimt ein Plan, so ist er schon vollbracht.
Es geht in unsrer Gegend heftig zu.
Ich weiß nicht recht, ob Du
Ertragen könntest, was das Klima einem abverlangt,
Und gebe zu, daß es selbst mir oft bangt.
Die Sonne brennt wie heißer Zorn,
Sie reift das Korn, versengt das Korn
Nach Laune. Ja, auf sie ist kein Verlaß:
Heut spielt sie Liebe, morgen Haß.
Aus einem Nichts, aus einem Quell
Wird jäh ein Strom, der schnell
Das Land ringsum ersäuft
Und sich im Nu wieder verläuft.
Was Du Dir wünschst, es wird sofort Gestalt,
Die Wünsche haben wirkende Gewalt –
Nur böse Wünsche nicht. Und das ist gut,
Sonst schwämme man in einem Meer von Blut.
Blickst Du ein Weib begehrlich an,
So bist Du schon ihr Mann,
Und Dein Begehren zeugt ein Kind.
Ein jeder Mensch ist hier wie Wind,
Der Samen ausstreut, ohne lang zu fragen,
Ob sie wohl Wurzeln schlagen.
Blickst einen Stern Du liebend an,
So strahlt er auf und ist Dir untertan
Und lenkt nach Kräften Dein Geschick.
Er überhäuft Dich so mit Glück;
Daß Du nach Luft ringst. – Komm doch einmal her
Und sei mein Gast. Es ist ein bißchen schwer,
Sich einzuleben. Aber wem’s gelingt,
Dem springt das Herz, bis es zerspringt.
– Mascha Kaleko –
… ich begegne ihr gerade in einem Buch, das ich lese und freue mich wie die kleine schwangere Ratte, der das Gedicht dort vorgelesen wird 🙂
Goodbye Valerie … (zu „Ein ganz besonderes Jahr“)
Sir Francis Bacon sagte einst:
„Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.“
… und dann gibt es für jeden noch einige wenige Bücher, die „Lieblingssätze“ enthalten. Diese erfüllen die Voraussetzungen zum „Wiederkäuen“ … dabei kehrt zwar die gleiche Formulierung immer wieder, die man dann jedoch fein variiert. Man möchte sie wieder und wieder lesen. Solch eine Stelle im Buch ist diese:
„Ein Buch zu entdecken, das bedeutete, sich frei über die Notwendigkeiten des Alltags zu erheben und auch das eigene Leben für die Dauer der Lektüre aus dem Hier und Jetzt zu pflücken, um es an einen anderen Ort zu verpflanzen.“
(E-Book Pos.1190 / Buch Seite 174)
Ich fand es jedenfalls wunderbar, mein Leben für eine kurze Dauer an einen anderen Ort zu verpflanzen, Dinge zu sehen, die sind, und Dinge, die nicht sind – die Macht der Bücher zu erleben.