„Geschichten und Gedichte“/Vera F. Birkenbihl

Ein bisschen zerfleddert sieht’s schon aus, aber ich habe es! Vom Antiquariat. Nie hätte ich gedacht, dass diese Frau auch Gedichte und Geschichten geschrieben hat. Na ja, das ist ja auch 40 Jahre her. Aber irgendwo hatte ich gelesen: „Möchten Sie einmal etwas ganz anderes von Vera F. Birkenbihl lesen? Dann kaufen Sie dieses Buch!“

Das war gar nicht so einfach, aber ich wollte es unbedingt haben – „etwas ganz anderes“, da bin ich immer besonders neugierig.

Und etwas ganz besonderes habe ich darin schon gefunden. Ihr Gedicht:

„Geburt von Zivilisation“  … auf Seite 34:

„The animal was quick and man was slow.

And thus the prey escaped the throw

of little rocks.

Then the hunter fashioned a bow

into which a slinky arrow was strapped.

And the animal

(used to the slowness of phlegmatic stone)

became trapped.

At first man* only killed for food.

Then killing gave a sense

of accomplishment

and the techniques underwent some changes.  …“   (weiter geht’s im Buch)

Ich habe es Max, meinem Kater, vorgelesen und was soll ich sagen? Wirklich, er war hin und weg!!!

Also, der Inhalt dieses Gedichtes ist einfach faszinierend, weil er sich mit so vielem deckt, das ich derzeit lese. Ich glaube, dieses Buch mit den Zeichnungen – ja, sie konnte auch zeichnen 🙂  –  wird mir noch viel geben. Ich freue mich, es jetzt vor mir zu haben.

Warum schreibe ich eigentlich?

So mancher Schreiberling stellt sich wohl hin und wieder diese Frage. Auch Vera F. Birkenbihl tat es und ich bedauere sehr, dass sie nicht mehr Geschichten und Gedichte geschrieben hat. Ihre Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen – insbesondere jetzt gerade, währen ich hier schreibe. Ja, warum schreibe ich das?

Das Ei des Kolumbus? Die meisten sind normal, ich bin es nicht!

Und das sind einige ihrer Worte dazu:
„Ich muss noch mehr schreiben. Es ist zwanghaft – genau das ist es. Manchmal beunruhigt es mich geradezu, dass ich so viel schreiben muss. Es ist nicht so, dass ich GIDE oder JOYCE oder eine andere wichtige Person wäre. Ich denke nur ständig daran, dass ich etwas zu sagen habe. Man sagt mir, dass meine Sachen gut wären, nur wollten sie es nicht kaufen, weil es sich nicht verkaufen liesse und nicht viel Geld bringen würde. Das ist alles, woran gedacht wird: Geld. Das macht mich manchmal richtig krank. [….]
Manchmal fühle ich mich wie van Gogh. Seine Farben waren zu leuchtend für seine Zeit. Deshalb brachte er sich schliesslich um. Es hiess, er sei schizophren. Vielleicht musste er in dieser Welt verrückt sein. Er schuf wunderbare Kunst, die abgelehnt wurde. Heute scheint man etwas erwachsener geworden zu sein. Heute kann man seine Bilder anschauen, ohne zu erblinden. Wird man jemals meine Worte lesen können, ohne mir zu sagen, dass ich aufhören soll?
Natürlich könnte ich einfach aufhören. Ich könnte etwas anderes machen. Warum wählte ich überhaupt das Schreiben? Nun, ich wählte es nicht wirklich, es wählte mich. Ich habe immer geschrieben, schon als Kind. Nur damals wurde mir gesagt, dass ich Talent hätte. Du musst es sich entfalten lassen. Nachdem ich es getan habe, wird mir gesagt: Warum schreiben Sie nicht mehr Mystery-Geschichten. Oder Science-Fiction? Schön und sicher, für sie. [….]
Trotz alledem muss ich weiterschreiben. Es ist eine Besessenheit. Ich frage mich, ob ich verrückt werde. Vielleicht gibt es wirklich eine wundervolle Welt da draussen. Vielleicht liegt es nur an mir, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht gibt es wirklich keine Gewalt, keinen Hass, keine Grausamkeit und keine Heuchelei da draussen. Vielleicht bringen wir diesen Planeten nicht um. Wie kann ich das wissen? Die meisten können nicht sehen, was ich ihnen zeigen möchte. Die meisten sind normal. Ich bin es eindeutig nicht. Ich glaube, das ist das Ei des Kolumbus.

Es gibt natürlich keinen Weg, das herauszufinden. Vielleicht bin ich ziemlich verrückt? Dennoch berichte ich nur das, was ich sehe. Wie van Gogh.
Ich habe mich prostituiert. Ich habe ihnen ihre Mystery-Geschichten gegeben. Gestern abgeliefert. Sie bezahlten sofort. Jetzt kann ich wieder essen. Und meine Miete bezahlen. Und weiterschreiben.
Ich frage mich, ob irgend jemand etwas bei diesem Geschäft gewonnen hat. Auf der anderen Seite, warum soll ich mich das fragen? Was macht das für einen Unterschied?Ich werde nie ein neuer GIDE oder JOYCE oder DOSTOYEVSKY sein. Also, warum sollte ich weitermachen?

Weil ich muss. Es gibt keinen anderen Grund. Auch ich bin Prometheus.
(Tagebucheintrag/Vera F. Birkenbihl aus „Geschichten und Gedichte“)