Die Schönheit des Nichts
Inhaltsangabe: Im zweiten Teil des Zweiteilers „Rabenschwärze“ findet Elsa heraus, was es mit dem Nichts in ihren Augen auf sich hat. Das Geheimnis lässt sie stolpern und verstrickt sie in eine unmögliche Liebe. Wenn einer keine Hoffnung hat, so heißt es in Antolia, dann hält er sich an den Grubenmann. Auch Elsa bleibt keine andere Wahl. Doch es ist nicht die Verzweiflung, die sie an einen Märchenhelden bindet, sondern ihr Wissen um einen Sinn jenseits aller Welten.
„Elsa bemerkte es, als sie an den ortlosen Ort in die zeitlose Zeit eintrat. In ihrer formlosen Gesamtheit lies sie alles Feste und Irdische hinter sich und fiel in die unendliche Freiheit, schwarz in schwarz wie ein in Zeitlupe explodierendes, alles Licht verschluckende Feuerwerk.
Da war sie jetzt und wusste nicht, was mir ihr passierte. Sie wusste nur, dass es ihr gut ging. Dann entzog sich der letzte Zipfel ihrer Existenz dem Tor, das sie soeben durchschritten hatte, und im gleichen Moment, da sie sich vollkommen vom Irdischen gelöst hatte, hörte das Irdische auf. [… ]
Das Universum war leer, nur machte der Begriff von Leere keinen Sinn mehr, da die Leere voraussetzte, dass etwas voll sein konnte. Das Universum war also weder leer noch voll, doch angefüllt von Sein. Das Feste, Formbare, Endliche gehörte einer Vergangenheit an, die es nicht mehr gab. Zeit, das war an diesem Ort etwas anderes. Es gab keine verblichenen Fotos mehr und keine Menschen, die sie anguckten und von damals sprachen. Was einmal gewesen war, hatte seine Bedeutung verloren.
War es dunkel? Elsa hatte keine Ahnung. Hell oder dunkel, das spielte keine Rolle mehr. Es gab auch kein Voran in diesem neuen Zustand und doch legte Elsa, die nicht mehr Elsa hiess, darin einen Weg zurück, indem sie sich ausbreitete. Sie erfasste die Schönheit des Nichts, ertastete oder erschmeckte die Sterne in ihren möglichen Ausformungen, ohne dass es jemals Sterne gab oder eine Zunge oder Fingerspitzen, die all das hätten tun können. Eine neue Art von Sein lag vor ihr, in ihr und um sie herum. Wäre sie noch ein Mensch gewesen, so hätte sie diesen Zustand mit dem eines Kindes verglichen,, das entdeckt, wie gross, wie verrückt und wie unendlich die Welt ist. Ein Kind, das in Aufregung gerät, weil es sich ausmalt, wie das Leben, eine unendliche Tüte, prall gefüllt mit schönen Aufregungen, darauf wartet, gelebt zu werden. […]“
Wäre Elsa noch ein Mensch gewesen, hätte sie nun „von einem Glück erzählt, ungejagd von einem Gestern, niemals verführt von einem Morgen. Von einer Tapferkeit, die darin bestand, dass man völlig unabgelenkt existierte. Kein Gedanke, kein Bild, kein Gegenstand kein Wunsch und keine Sorge lenkten vom Dasein ab. Da zu sein war alles, was man hier tun konnte.“
Sie hätte erzählt, dass sie aufgehört hatte, eine Frage zu sein. Sie war jetzt Antwort.
„Das Nichts in ihren Augen war ein Etwas. Jetzt wusste sie es.“
(Aus Rabenschwärze/Der Grubenmann von Markus Kammer – ab Seite 370)
Ich liebe dieses Buch !!!