Angela Krauß – „Ich wollte die Welt werden, das All, der Traum, das Unendliche, ohne es vorher verstehen zu müssen.“
„Traumwandlerisch tasten sich die Verse durch Licht und Dunkel, suchen die Spuren des Ein für allemal Verlorenen. Dem trauert Angela Krauß nicht nach, verfolgt vielmehr spielerisch Prozesse zwischen Verfall und Neubeginn – eine Fortbewegung zu sich selbst und zum Entwurf einer Weltharmonie“ … schreibt Dorothea von Törne.
Ein Gedicht, das mir sehr gefällt, ist dieses:
So selbstverständlich alles, was wir bewohnen.
Wie unser Körper,
dessen Verfall uns ebenso entgeht
wie seine beständige Erneuerung.
Alles ist selbstverständlich,
solange es lebt.
Die Art, wie wir eine Tür aufmachen
und wieder schliessen,
lässt die Grenzen zwischen Körper und Behausung
schwinden – für einen Moment nur,
aber selbstverständlich genug, um uns zu erinnern,
dass wir nicht einfach die sind,
die hier kommen und gehen.
Oder der Schatten,
als der sich unbändig, sommerlich
eine junge Häuserzeile um den Nacken legt,
ehe der feuchtwarme Atem
der Strasse nach dem Regenguss
wie eh den eigenen durchströmt.
Was wir bewohnen, sind wir selbst.
(aus „Ich muss mein Herz üben“ /Angela Krauss)
Hier noch ein Hinweis, wo ich auf sie aufmerksam wurde:
http://www.hermann-hesse.de/stiftung/calwer-hermann-hesse-stipendium/angela-krau%C3%9F
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Ich muss mein Herz üben (Angela Krauss)
Zärtlichkeit und Zauberkraft, Philosophie und Sinnlichkeit, Ernst und Leichtigkeit angesichts der großen Fragen
….. genau das finde ich in ihrem kleinen Werk (ein bezauberndes „Nebenprodukt“ meines gestrigen Besuches im Hermann Hesse-Museum in Calw). Ich bin ganz hingerissen von ihren Worten und lese und lese …
„Wenn es so ist,
dass nur der heutige Tag erhellt ist,
die vergangenen aber im Dämmer zurücktreten,
ebenso die künftigen: wartend im Dunkel stehen.
Wenn also unverhohlen Licht
nur in die Gegenwart fällt,
schlaglichtartig in unser intimes Jetzt –
Warum wissen wir über dieses nichts?
Während wir über das, was uns widerfahren ist,
nahezu alles wissen oder zu wissen glauben.
Und über das, was uns erwartet,
können wir auch lange reden.
Wäre zu wünschen,
dass Licht sich wie ein behutsam suchender Strahl
über den Augenblick der Gegenwart hintastet,
ihm etwas Fragendes verliehe,
ein Angebot zu Erwägung und Bedenken
anstelle des reflexlosen, blendenden Jetzt ?
Oder gewährt allein dieses Vakuum des Geistes,
diese kurze Ohnmacht,
in der Vergangenheit und Zukunft
einander fast berühren,
unserem anderen Dasein Raum:
der umfassenden Berührung?“
„Ich muss mein Herz üben !
Alles entspringt allem und jedem
Und rottet sich zusammen
in Lust und Laune, Welle und Teilchen
und ich steh in der Gegend:
plump, betrübt, hilflos, verliebt.“