Es geht um Märchen

Ich habe noch nie ein Märchen geschrieben

Doch würde ich es durchaus lieben

Jetzt im Gras zu sitzen und eins zu erträumen

Vielleicht über einen Wald mit goldenen Bäumen

Auf deren Blättern kleine Feen sitzen

Sie lachen und ich sehe ihre Zauberstäbe blitzen.

Sogleich schwebt eine runter zu mir

Und sagt: „Drei Wünsche gewähre ich dir!“

Nun gut, ich wünschte, meine Katze wäre wieder bei mir!

Sie ging vor Jahren über den bunten Regenbogen

Ist glücklich in unseres Schöpfers Reich eingezogen

Dort traf sie sogleich auf den gestiefelten Kater

Der ihr stolz sein Märchen erzählte

Dass man ihn sogar zum Minister erwählte

Sprach von seinem Herrn

Den er auf Erden mit Glück und Segen bedachte

Meine Katze dachte dabei sehnsuchtsvoll an mich

Weil auch sie mich auf Erden glücklich machte

Darum mein erster Wunsch, ich nenne ihn dir:

Ich wünschte, meine Katze wäre wieder bei mir!

Plötzlich raschelte es im goldenen Wald

Etwas Schwarzes schlenderte geschmeidig auf mich zu  ….

Vielleicht erfüllt sich mein erster Wunsch schon bald?

Doch mein Märchen ist hier noch nicht zu Ende

Der märchenhafte Traum geht weiter.

Dem ersten Wunsch folgt nun gleich ein Zweiter

Ich wünschte, ich könnte zaubern und heilen!

Wie Merlin oder gar Jesus auf der Erde verweilen

Als Seher und Weiser alles Übel abwenden

Und Botschaften unseres Schöpfers an die Menschen senden

Es gäbe dann keine Krankheit, kein Leid, keine Katastrophen mehr

Ein Leben in einer heilen Welt, das wünschte ich mir sehr.

Doch dies alles findet wohl nur im Märchen statt

Wo jeder eine gute Fee zur Seite hat.

Drum hier und jetzt ein dritter Wunsch an meine Fee:

Ich wünschte, alle wohlgesinnten Träume und Märchen würden wahr

Und jeder könnte märchenhaft leben

Nicht erst später im Himmel

Sondern sogar schon heute

Ich würde wirklich viel darum geben!

© chrinolo

Ist es nicht schön, in märchenhaften Träumen zu verweilen? In einem Raum, wo das Wünschen noch ein ganz normaler Vorgang ist? Man muss nur die Augen schließen und schon kann´s losgehen 🙂

„Liebe Dein Märchen, erzähle es mit der Freude,

als habest Du es eben erst entdeckt.

Gib ihm Erstaunen und Verwunderung mit,

das meint auch Achtung und Ehrfurcht.

Es bleibt jedes Erzählen, damit es gelingt, ein Abenteuer.“

(Rudolf Geiger, Märchenerzähler und Märchenforscher, 1908 – 1999)

Lieben lernen …

„Wenn wir von ´lieben lernen` sprechen, so ist es eigentlich die Aufmerksamkeit auf die Realität des Anderen, die zu lernen ist. “ Dorothee Sölle

Der Andere? Dorothee Sölle schreibt weiterhin:

Der furchtbare Tod der Beziehungslosigkeit

„Wir atmen noch, konsumieren weiter, wir scheiden aus, wir erledigen, wir produzieren, wir reden noch vor uns hin und leben doch nicht. … Alleinsein und dann alleingelassen werden wollen; keine Freunde haben und dann den Menschen misstrauen und sie verachten; die anderen vergessen und dann vergessen werden; für niemanden da sein und von niemandem gebraucht werden; um niemanden Angst haben und nicht wollen, dass einer sich Sorgen um einen macht; nicht mehr lachen und nicht mehr angelacht werden; nicht mehr weinen und nicht mehr beweint werden; der schreckliche Tod am Brot allein. … Das ist der Tod, von dem die Bibel spricht; der Mensch, für den die anderen nicht Reichtum bedeuten, Herausforderung, Glück, sondern Angst, Bedrohung, Konkurrenz, der Mensch, der von Brot allein lebt und daran stirbt, am Brot allein, von dem man nicht leben kann.“

Mir fällt dazu ein Märchen ein, das eigentlich keines ist. Die Realität beweist uns, dass es gerade heutzutage oftmals zutrifft, dass …..

Der alte Großvater und sein Enkel

Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floss ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen musste sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen …; da sah er betrübt nach dem Tisch und die Augen wurden ihm nass.

Einmal auch konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht fest halten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er sagte aber nichts und seufzte nur. Da kauften sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus musste er nun essen.

Wie sie da so sitzen, trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. ‚Was machst du da?‘ fragte der Vater. ‚Ich mache ein Tröglein,‘ antwortete das Kind, ‚daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin.‘

Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen endlich an zu weinen, holten sofort den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.

Gebrüder Grimm (Grimms Märchenbuch)

Dieses Märchen berührt doch sehr, findet ihr nicht? Doch es hat ein Happy End.

Der Sozialphilosoph Jürgen Habermas jedoch ist der Meinung:

Wir verfügen noch nicht über eine „semantische Differenz“ zwischen dem, „was moralisch falsch, und dem, was zutiefst böse ist.“

Ich hoffe, er hat wenigstens in diesem Punkt Unrecht. Zumindest haben doch die meisten von uns schon früh gelernt : Du sollst Vater und Mutter ehren!

All dies waren spontan aufkommende Gedanken und Zwischenbetrachtungen, während ich das Buch „Mystik und Widerstand“ von Dorothee Sölle las. Ich bin damit immer noch nicht zu Ende, weil … ja, darum vielleicht:

„Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, warum lesen wir dann das Buch?“ (Franz Kafka)

Ikarus – eine andere kleine Geschichte

 

Wenn die Sonne erlischt

Lange Zeit stand sie jeden Morgen am Himmel, rollte ihr flimmerndes Goldorange über die Wiesen vor dem Haus aus. Es war wunderschön anzusehen, wie sie dann später hoch am Himmel stand und die große Weite umspannte, wie sie Energie, Wärme und Lebensfreude spendete. Staunend suchte Ikarus ihre überwältigende Anziehungskraft zu ergründen.

Aber er musste sich vorsehen, ihr nicht zu nahe zu kommen. Bewundernd spürte er ihre enorme Kraft und sah immer wieder zu ihrer leuchtenden Glut hinauf. Fasziniert weidete er dabei seine oftmals schmerzenden, geblendeten Augen an ihrem wechselnden Lichtspiel, das die Welt verzauberte. Natürlich war ihm bewusst, dass sie nicht nur für ihn allein schien, sondern dass sie ihre Energie über die ganze Welt ergoß und auch vielmals mit gigantischen Lichtblitzen vergeudete.

Ihre Energie war nicht unendlich, verbrauchte sich zusehends und nahm unaufhaltsam mit der Zeit ab. Langsam begann sie zu schrumpfen, zog sich todmüde, wund und erschöpft in den Abendhimmel zurück. Eines Tages dann, am Ende ihrer Zeit, hüllte sie sich zum letzten Mal in ihr glutrotes Kleid und erstrahlte im letzten Aufblühen in unglaublicher Schönheit.  Letztlich ergab sie sich entkräftet ihrer Natur, verkümmerte zunächst zum weißen Zwerg, dann zum schwarzen und schließlich erlosch sie ganz.

Ikarus nahm dies alles mit Bestürzung wahr.
Er vermisste darauffolgend ihre strahlende Wärme und ihren goldenen Schein, der seinen Tag erhellte.
Doch nun hatte er auch nichts mehr zu befürchten, weder ihre Nähe noch den Absturz, der ihm in ihrer Nähe drohte.

Von diesem Zeitpunkt an stand keine Sonne mehr über ihm am Himmel, sondern nur noch ein erloschener, kalter Geröllhaufen im weiten Universum … lebensfern und der Welt entrückt.

Text und Gemälde © chrinolo

p.s.  Die Gestalt des Ikarus hat immer wieder viele Künstler inspiriert.

Ich habe ihn in meiner kleinen Geschichte da oben nicht abstürzen lassen !  😉

2017 habe ich ihn gemalt und mir meine Gedanken gemacht – hier  🙂  :
https://seelenglimmern.com/2017/02/26/ach-immer-diese-belehrungen/

Wie ich nun wieder einmal auf dieses Thema komme? Nun, es gibt auch einen weiblichen Ikarus.
„Die Wachsflügelfrau – Geschichte der Emily Kempin-Spyri“ – ein Roman von Eveline Hasler, eine wahre und bewundernswerte Lebensgeschichte. Ich lese sie gerade  🙂