Da ist es wieder – mein Bauchgefühl meldet sich, während ich eine Mail lese.
Ich horche kurz in mich hinein, spüre ein unbehagliches Gefühl in der Magengrube und entscheide mich dagegen. Ohne Grund. Einfach so, weil der Bauch davon abrät.
Wie kann das sein? Mir fällt Gerd Gigerenzer, Intuitionsforscher und Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, dazu ein. Und ich denke an viele Stunden nervenaufreibender Diskussionen mit meinem jüngeren Sohn, dem analytischen Denker! Während seines Informatikstudiums kam er mir ständig mit seinem Wahlspruch:
„Ich denke, also bin ich“, wenn es um gefühlsmässige Entscheidungen ging, deren Ausgang nicht voraussehbar war. Er dachte und ich fühlte!
Dieser Spruch war mir schon immer suspekt. Und als dann ein Buch von Antonio R. Damasio, Leiter der neurologischen Abteilung an der Universität von Iowa, mit dem Titel „Descartes‘ Irrtum“ erschien, kniete ich mich intensiver in dieses „explosive“ Thema und traf so auf Gerd Gigerenzer.
„Bauchentscheidungen werden schnell getroffen, und die Gründe für unsere Entscheidung bleiben unbewusst [… ] Erfahrene Experten entscheiden oft intuitiv. Je mehr Erfahrung man hat, desto besser kann man intuitiv entscheiden.“ sagt er. Und genau daher kommen die „meist richtigen Eingebungen“ – es bleibt natürlich immer ein Restrisiko, aber meistens liegen wir mit unserer Entscheidung rein gefühlsmässig doch richtig!
Unsere Erfahrungen sind unser unbewusster „Wissenspool“, der in dem Moment der Entscheidung offen steht – „Es erscheint im Bewusstsein, ohne dass man die tieferen Gründe dafür kennt“ sagt Gigerenzer. Und dieses intuitive System funktioniert bei uns ziemlich perfekt, wenn schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen!
Natürlich hat auch das analytische Denken/Entscheiden seine Berechtigung – bei Richtern oder Buchhaltern etwa. Aber wenn es um Innovatives, Kreatives oder zu Erforschendes geht, da sollte die Eingebung von innen heraus nicht fehlen.
Auch nicht, wenn wir unter Alternativen wählen können – z.B. im Lebensalltag mit Partner, Freunden, Kollegen etc. – da sollten wir auch auf unsere innere Stimme hören!
Die Erfahrungen sind also entscheidend, die wir jahrelang unbewusst in unserem „Wissenspool“ gesammelt und abgespeichert haben.
Doch es gibt zu diesen Erfahrungen noch etwas zu bemerken, um Fehler beim intuitiven Nachdenken zu vermeiden. Gerd Gigerenzer nennt auch dazu ein Beispiel:
„Wenn Männer eine Krawatte binden, tun sie es irgendwann automatisch, also intuitiv. Denken sie nun darüber nach wie sie es machen, funktioniert es nicht mehr so gut.“
Jedenfalls, dieser Franzose René Descartes, einer der meist zitierten Philosophen, irrte, denn „ohne Gefühle ist kein vernünftiges Handeln möglich“.
„Sein Irrtum, so Damasio, bestand darin, den Geist vom Körper abgrundtief zu trennen, anzunehmen, das Denken vollziehe sich losgelöst vom Körper und sei das eigentliche Substrat des Selbst. Damasio stellt dem cartesischen Dualismus drei Thesen entgegen:
– Die Vernunft hängt von unserer Fähigkeit ab, Gefühle zu empfinden,
– Empfindungen sind Wahrnehmungen der Körperlandschaft, und
– der Körper ist das Bezugssystem aller neuronalen Prozesse.“
„In der Flut der einschlägigen Neuerscheinungen in der Dekade des Gehirns ist Damasios Buch eines der wichtigsten. Hochaktuelle, international renommierte Forschungsarbeiten werden hier aus erster Hand verständlich und spannend präsentiert.“ (Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1997) …. das war damals!
Das Buch ( https://www.amazon.de/Descartes-Irrtum-F%C3%BChlen-Denken-menschliche/dp/3548604439 ) … ist auch schon eine Weile her, aber gilt immer noch 🙂
Ein spannendes Thema, das in der Tat in vielfältiger Literatur aufgegriffen und bearbeitet wird. Im Zusammenhang mit Menschen ist es (aus meiner Sicht) sicherlicher besser, immer mal wieder auf den Bauch zu hören. Aber im Zusammenhang mit Business etc. sollte man vielleicht doch hin und wieder mal genauer nachdenken (siehe auch „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Kahneman).
Liebe Grüße – und immer schön auf Bauch UND Kopf hören 😉
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Ja, ein spannendes Thema 🙂
Deinen Hinweis: „Aber im Zusammenhang mit Business etc. sollte man vielleicht doch hin und wieder mal genauer nachdenken“ … oh, da habe ich im Laufe meiner vielen Berufsjahre in Bezug auf das Management oft gedacht: „Ein bisschen mehr Gefühl/Mitgefühl/Einfühlen könnte nicht schaden!“ Dort wurde fast immer nur analysiert und berechnet (vor allem ob sich die Mitarbeiter rechnen). Nun, wie du sagst, ein spannendes Thema! 🙂
Liebe Grüsse auch zu dir und schönen Abend ❤
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Oh, mit Business meinte ich da tatsächlich nur die Geschäftsentscheidungen und nicht die, die mit Mitarbeiterführung etc. zu tun haben 😦
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Ach soooo … na das beruhigt mich 🙂
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