… so empfand er die Oper. Wie er sie kennen lernte, hat mich beim Lesen sehr berührt – es war ein liebevolles Opfer des Vaters an seinen Sohn. Was für ein Geschenk!
Beim Lesen fragte ich mich, ob dies heutzutage einen Sohn (auch den eines einfachen Arbeiters) noch in diesem Masse beeindrucken würde … :
„Seit seiner Kindheit war Monsieur Jean von der Oper fasziniert. Einmal hatte ihn sein Vater mitgenommen nach Neapel. Es war das erste Mal gewesen, dass er Pucchini gehört hatte: Il Trittico, drei kurze Opern, Einakter, darunter Gianni Schicchi. Der kleine Giacomo war von der besonderen Atmosphäre, den leuchtenden Gesichtern, den prächtigen Kleidern der Besucherinnen auf den besseren Plätzen, den Herren in Fracks, all dem Goldlack, den samtbezogenen Sitzen und dem glitzernd schimmernden Licht so beeindruckt gewesen, dass er von der Musik kaum etwas bemerkt hatte. Alles das freilich hatte er nur von einem der Stehplätze über den Rängen, ganz oben unter der Decke erhaschen können, denn natürlich waren für einen einfachen Arbeiter wie seinen Vater Karten einer besseren Kategorie vollkommen unerschwinglich gewesen. Selbst auf den billigen Plätzen (aber das hatte Monsieur Jean erst in sehr viel späteren Jahren erkannt) hatte sich sein Vater zweifellos unwohl gefühlt. Und auch die paar Lire, die er bezahlt hatte, um seinem Sohn einmal das überwältigende Erlebnis eines Opernabends zu bescheren, waren ein Opfer gewesen – ein Opfer an die Kunst im Allgemeinen und die Oper im Besonderen. Giacomo Piccoli senior liebte die Oper genau so sehr wie jeder Italiener. Wie tief sie auch bei ihm wirkte, spürte der Sohn, als er mit seinem Vater auf der Heimfahrt im Zug eng beieinander sass und dieser die ganze Strecke seinen Kopf an die Brust gedrückt hielt und, ihm zärtlich über die Haare streichend, die Melodie des O mio babbino caro ins Ohr summte. Wenige Monate später war sein Vater, ein Mann in kleinen Verhältnissen, jedoch mit einem grossen Herzen und Sinn für die schönen Dinge des Lebens, gestorben.
Seit jenem Abend aber war die Oper auch die grosse Liebe des Monsieur Jean.
Sie war ihm nicht nur Unterhaltung oder kulturelle Erbauung. Sie war ihm der intensivste Ausdruck menschlichen Gefühls. War ein Universum im Schatzkästchen. Die Oper versteht den Menschen besser als er sich selbst …“
(Textauszug aus Monsieur Jean und sein Gespür für Glück/Thomas Montasser)
O mein lieber Papa,
höre, dass ich ihn wahrhaft liebe!
Ich geh zur Porta Rossa und kaufe dort ein Ringlein!
Jawohl, da will ich hingehen!
Doch wenn Ihr mir`s verweigert,
geh ich zum Ponte Vecchio, dort springe ich in den Arno!
Das Herz soll mir zerbrechen! O Himmel, wär ich doch tot!
Vater, erbarm Dich mein!